Nur Wölfe heulen nachts; Maximilian Helk, 28. Februar — 01. März 2020

Narkotikum in einem dunklen Raum

Überlegungen zur Ausstellung „Nur Wölfe heulen nachts“ von Dr. A. Wagemuth.

Wie eine Valium, versehentlich am frühen Abend eingenommen, wankt man durch Helks Ausstellung, einen langsamen Walzer im Ohr. Stets darum bemüht die Contenance zu wahren, dreht man sich um die eigene Achse und versucht den vielen Handschuhen auszuweichen, welche einem, einer Aufforderung zum Duell gleich, in den Weg geworfen werden. Redundant, explizit nicht nachhaltig, aber im besten Sinne des Wortes Biedermeier, hofieren Helks Arbeiten das Märchen und heben in grimmscher Moral den Taktstock zu einem illustratorischen Crescendo Marke Moondog. Wenn Romantik, dann auf keinen Fall Schmadribachfall, sondern Füssli und A. Paul Weber. Das Illustrative bis zum Koitus bejahende Malerei und Zeichnung. Mögen die Ratten auch manchmal nachts schlafen, so sind sie hier doch fleißig am Musizieren.

Mit der Präsenz eines gefundenen Hufeisenmagneten glückwandelt man im 3/4 Takt weiter durch die Bildberge und spürt ihre Anziehungskraft. Graphit ist Metall, ebenso das Eisenoxidpigment welches sich Richtung Betrachter streckt und die Leinwand mit sich zieht. Mensch und Getier, ja selbst seelenlose Stahlbolzen sind erfüllt von der Magie der Frottage, werden durch Bleiabrieb zum Leben erweckt und summen durch das Magnetfeld wie Bienen auf ihrem nächtlichen Jungfernflug. Sie sondern eine uns vertraute Melodie ab: „Is this the rythm of the night?“.

Denis-Lavant-gleich tanzen Helks Protagonisten auf der ungrundierten Leinwand, den letzten Gärtner im Rücken spürend, sich nach den Sternen sehnend. Natürlich sind all dies Lügengebilde, die Malerei selbst ist ja die größte Lüge von allen. Jedoch lohnt es sich die Lüge zu tanzen, denn auch als Puppenspieler ist das falsche Spiel, auf das ganze Leben hin betrachtet, das Lohnendere. Ist es nicht langsam an der Zeit, die Malerei genau in diesem Sinne zu denken. Als das was sie ist. Ein verlogenes Kolorit, über eine Behauptung gelegt. Und überhaupt, Denis Lavant: Wären er und Carrie-Anne Moss nicht das Traumpaar für einen flotten Walzer im Kaninchenbau? Die sieben Geißlein schauen entrückt zu, jedes Geißlein eine Todsünde. Und während sich die Tänzer noch drehen, werden die Geißlein zu Zwergen und in der Mitte liegt ein Sarg. Schnee fällt auf die Leinwand und benetzt sie. Die Gärtnerin setzt an zum letzten Kuss. Der Tod wird einmal mehr zelebriert, ja romantisch verklärt und so stirbt die Idee mit der Bildwerdung, ein Luftballon steigt zum Himmel, während die Vögel, wie zuletzt so oft, schweigen. Der Maler ist tot, es lebe der Maler. Die Wölfe stimmen ihr Wiegenlied an.

Dr. A. Wagemuth, München 2020, kurz nach dem Sturm